Dienstag, 19. Juli 2011

Besinnliches von der Bench

Beraten zu werden ist ein Volkssport geworden. Für alle Fälle gibt es Angebote. Wir wissen nicht mehr, wie man isst, wie man lernt,wie man Hunde, geschweige denn Kinder erzieht. Einen guten Ratschlag können wir spielend von einer fundierten Analyse unterscheiden. Auch wenn der bezahlte Helfer denselben Sachverhalt nur anders ausdrückt. Mit der zitierfähigen Expertise im Rückenwerden wesentliche Dinge des privaten und öffentlichen Lebens entschieden.  Der Berater und seine viel gescholtene Kaste versinnbildlichen unsere kleinen und großen Mängel. Es verwundert daher nicht, dass sieoft viel Unmut auf sich zieht. Dabei ist jedem Berater klar, dass seine Tätigkeit immer auch Auswirkungen auf sein eigenes Leben hat.Er lebt natürlich davon das Geschäftsfeld zu erweitern und dort Nachfrage zu generieren wo bisher keine vermutet wurde. Dabei fällt ihm zuerst auf, wenn  Begrifflichkeiten seines beruflichen Lebens auch in anderen Lebensbereichen zur Verwendung kommen.  Es gibt Kollegen, die dieses Phänomen als Seuche beschreiben. Sie injizieren ein Sprachvirus in ihre berufliche Flora und Fauna undwährend sie sich noch über die schnelle Verbreitung in ihrem professionellen Leben freuen, begegnet ihnen im alltäglichen Leben einemutierte Variante, die ihnen Angst macht. Man muss kein Linguist sein, um zu verstehen, dass  einzelne Worte nur in ihrem Anwendungsgebiet unter bestimmten Bedingungen Sinn ergeben.  Ein Pionier der linguistischen Forschung, der Amerikaner Benjamin Lee Whorf, prägte mit seinem Mentor Edward Sapir die Ideeder linguistischen Relativität. Auch wenn große Teile seiner Forschung heute widerlegt sein mögen, so betrifft die Tatsache, dass erseinen Lebensunterhalt als Versicherungsexperte für Brandschutz verdiente und gleichzeitig über die Sprachen der IndianerNordamerikas forschte, doch ganz treffend unser kleines Dilemma. Die Sprache, die wir sprechen wird geprägt von der Welt in der wir leben, wir sind immer auch Gefangene unserer eigenen Sprache. Ein Versicherungsexperte für Brandschutz wird kaum einenIndianerstamm beraten können. Oder um es etwas einfacher zu halten, wenn Vokabular der betriebswirtschaftlichen Beratung in dieEheberatungstipps der Brigitte einfließt, wird der ein oder andere verheiratete Consultant auch mal über seinen beruflichen Erfolgfluchen.  Die Sprache des Beraters bildet auch nicht selten gesellschaftliche Trends ab, die erst einige Zeit später voll zur Geltung kommen. Das oft verhöhnte Denglisch und die neuere Variante englische Begriffe einigermaßen sinnentstellend ins Deutsche zu übertragen,kamen in Mode als die Diskussionen über Deutschland und das Deutschsein ab der Jahrtausendwende bis zur WM von 2006 Konjunktur hatten. Die Beraterbranche hatte im Gleichschritt mit Phänomenen in der Popkultur und den Medien den Trend erkannt und ähnlich wie Bands wie MIA., dem Rapper Fler oder Magazinen wie Blond versucht vom Alleinstellungsmerkmal des unverkrampften Umgangs mit nationaler Identität zu profitieren. Man entdeckte alte deutsche Kräuter und Werbefirmen hießen Zum Goldenen Hirschen.   Die gefragte Beratungsfirma ist immer gezwungen wie ihre eigene Subkultur daher zu kommen.Sie soll Probleme der Zukunft schonjetzt lösen und ihre Lösungen sollen den Kunden auch für kommende Herausforderungen wappnen. Sie ist aber auch Subkultur weilsie ihre eigenen Codes und Rituale ausbildet. Auch wenn der seriöse Berater nicht wie die Girls von Harajuku im Kostüm beim Kunden erscheinen kann, so werden sie doch kaum einen treffen, der nicht auf das ein oder andere Accessoire so viel Wert legt, wie der Sänger einer hippen malayischen Reggaeband.  Die Sprache von der unser kleines Blog erzählt, folgt ihrem eigenen Diskurs. Wie schon der französische  Sprachwissenschaftler Michel Foucault wusste ist jeder sprachliche Diskurs von Ausgrenzungen geprägt.Nicht jeder darf alles äußern, nicht jeder bekommt Rederecht und wir alle wissen, mehr oder wenig gut oder schlecht, dass wir nichtin jeder Situation alles sagen dürfen.  Bei maschinell gestützten Sprachsystemen haben Administratoren die Herrschaft an sich gerissen. Jeder Forennutzer weiß , worum esbei diesen Befugnissen geht. Wenn die Anfrage nicht im korrekten Vokabular ausgedrückt wird, lässt sie sich leicht diskreditieren.Der Konkurrent dem ein gewisses Modewort noch nicht begegnet ist, kann nur vollkommen unfähig sein. Dem Kollegen, dem ein Memo nicht untergekommen ist, wird auf sein Versäumnis nur mit einer Andeutung hingewiesen, die dementsprechend alle außer ihmverstehen.  So wie Harald Schmidt einmal berichtete er habe mit dem politischen Kabarett am Kommödchen auch deshalb aufgehört,weil die berühmte Chefin Lore Lorentz immer in den Proberaum zu kommen pflegte, nur den Namen eines Politikers mit derpassenden Bewertung in Umlauf bringend;  man habe dann hektisch bei der nächsten Pause alle Zeitungen durchgeblättert, um denWitz zu verstehen und bei nächstbester Gelegenheit treffend kommentieren zu können.   Die Herrschaft über den Diskurs lässt sich für den Chef einer Beratungsfirma auch immer leicht beweisen, in dem er die Geschwindigkeit misst mit der ein von ihm in Umlauf gebrachtes Bonmot wieder aus dem Munde der Konkurrenz zu ihmzurück schallt. Hat man gewisse Administrationsrechte kann man auch einfach den Kollegen für verrückt erklären, weil er ja noch nicht die nötige Übersicht hat und seine Äußerungen nur deshalb so wirr sein können. Wir bewegen uns hier sehr schnell aufbeunruhigende Gewässer zu, die auch dem einen oder anderen Sektenaussteiger bekannt vorkommen könnten.

Posted via email from beraterslang.de

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